Genau hinschauen und zuhören …

Heute möchte ich Euch ausnahmsweise nicht mit zu einem Newborn-Shooting nehmen, sondern einen Schritt weiter gehen und die Erfahrung mit etwas älteren Kindern mit Euch teilen.

Was ich hier immer wieder wahrnehme ist der enorme Druck, den Eltern zu Beginn des Shootings haben. Jeder kennt das, von einem Moment auf den anderen kann aus einem friedlichen Kleinkind ein tobender, wütender kleiner Mensch werden – ohne Vorankündigung. Diese Tatsache stresst Eltern im Vorfeld zum Shooting enorm. Ich möchte ihnen diese Angst so gerne schon vorab nehmen, indem ich Euch meine Herangehensweise und meine Einstellung zu solchen Tobsuchtsanfällen zeige.

Vorab will ich hier auch gleich eines klar stellen. Als Mutter habe ich beides erlebt. Meine Tochter hatte in ihrem ganzen Leben so viele Tobsuchtsanfälle, wie mein Sohn sie täglich Früh noch vor dem Kindergarten hatte. Und nein, ich wusste damals nicht, wie ich damit umgehen sollte – damals definitiv noch nicht. Aber dazu erzähle ich Euch gerne in einem anderen Blogbeitrag etwas… Heute geht es mir um meine Erfahrung mit Kleinkindern, die ich im Laufe vieler Jahre als Fotografin gesammelt habe.

Viele Eltern wollen unbedingt, dass das Kind sich von seiner Schokoseite zeigt beim Shooting. Sie kennen ihr Kind, wie wundervoll es ist, wenn es ausgeglichen und glücklich ist und es Spaß hat und genauso möchten sie es auf den Fotos sehen und gleichzeitig wissen sie, dass dieser Zustand nicht einfach mit einem Fingerschnipp herbeigerufen werden kann. Und das stresst sie sehr – was wiederum die Kinder spüren und dann alles mögliche sind – nur eben nicht entspannt.

Darum versuche ich den Eltern das Gefühl zu geben, dass alles sein darf. Dass das Kind bockig sein darf, weinen, sich hinter Mama und Papa verstecken darf, mich ignorieren oder was immer es auch sonst machen möchte in dieser Situation. Und dass ich nicht darüber urteile! Ich verurteile weder Kind, noch Eltern – im Gegenteil. Ich lasse dem Kleinkind Raum, um zu spüren, dass es hier o.k. ist. Dass hier nichts passiert, was es nicht will. Dass Mama und Papa sich langsam entspannen. Dass wir ruhig erst einmal warten können bis es angekommen ist und bis seine Persönlichkeit langsam zum Vorschein kommt.

Ich würde mir das manchmal so sehr im Alltag wünschen, dass mehr Solidarität unter Eltern herrscht. Keine vernichtenden Blicke, wenn sich ein Kleinkind auf den Boden legt und strampelt und schreit. Keine Blicke, die zeigen, wie unfähig die Eltern befunden werden, wie ungezogen das Kind. Sondern Verständnis, dass kleine Kinder manchmal eben in diesem Moment nicht anders können, als so zu sein. Und dass man als Eltern nichts falsch gemacht hat. Manchmal denke ich mir (zB im Supermarkt oder im Bus) ich gehe jetzt einfach hin und lenke das Kind ab und gib der Mama einen Moment zum Verschnaufen und noch viel wichtiger das Gefühl, dass alles gut ist und dass ich sie verstehe. Ob das Eltern in so einer Situation richtig deuten – ich bin mir nicht sicher, aber ich bin mir sicher, dass es ihnen gut tun würde.

Etwas mehr Verständnis dafür, dass Kinder kleine Persönlichkeiten sind, die nichts sein müssen. Die perfekt sind, so wie sie sind. Aber eben jedes anders und nicht jedes Kleinkind ist ein süßes Plappermäulchen, das offen auf Fremde zugeht. Manche sind ruhig und schüchtern und reden erst mit Jemanden, wenn sie lange Vertrauen aufbauen konnten. Andere Kinder überspielen ihre Unsicherheit mit – nach außen hin – auffälligem Verhalten. Manche überspielen ihr Unsicherheit durch wild sein. Was ich sehe: Jedes Kind ist genau richtig so wie es ist und wenn man genau hinschaut und nicht versucht es in einen Stereotypen hinein zu pressen, wenn man ganz genau hinhört und hinsieht, dann erkennt man diese wundervolle Einzigartigkeit in jedem Kind. Das ist mein Part beim Shooting – neben dem Fotografieren im richtigen Moment, bei richtigem Licht und abgestimmtem Set – das Hinschauen und Erkennen und Abbilden dieser wundervollen Einzigartigkeit.